„Familientreffen der Verkehrsrechtler“

So hat der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages (VGT), Generalbundesanwalt a. D. Kay Nehm, in seiner Eröffnungsansprache heute Vormittag aus Anlass der diesjährigen Tagung die Traditionsveranstaltung in Goslar bezeichnet. Und als habe er sich bei der Ausarbeitung seiner Rede von diesem Bild leiten lassen, bedachte er in altväterlicher Manier Gerichte, Rechtsanwälte, Recht suchende Bürger – ja sogar die „Gesellschaft“ als solche – mit seiner sarkastischen Kritik, als gelte es, die Zusammenkunft der Familie zu nutzen, selbiger die Leviten zu lesen.

So verstieg sich der ehemalige Generalbundesanwalt, dem wohl als Amtsinhaber ein Dienstwagen zur Verfügung gestanden haben wird, aus Anlass der Begrüßung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, zu folgender Feststellung:

Das Amt des Verkehrsministers bereitet im Lande der notorischen Gutmenschen, der Neinsager und Bedenkenträger nicht nur ungetrübte Freude. Eine von Anspruchsdenken und Versicherungsmentalität geprägte Gesellschaft leidet unter jeder Art von Mobilitäts-Störung. Ob witterungsbedingte Probleme der Deutschen Bahn, ob baustellenbedingter Stau auf Autobahnen oder Mängel der Luftfrachtkontrolle, der Verkehrsminister wird für alles und jedes verantwortlich gemacht.“

Während der Bürger, der auf die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Verkehrswege und -mittel angewiesen ist, für angeblich übersteigertes Anspruchsdenken gescholten wird, rückt die Eröffnunsgansprache des Präsidenten Oberrichter in die Nähe kautziger Sonderlinge. Bezug nehmend auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zur mangelnden Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung der Winterreifenpflicht, über die hier bereits berichtet worden war, diskreditiert Kay Nehm das in Rede stehende Judikat als Aprilscherz:

„Nicht zur Weihnachtszeit und auch nicht – wie man meinen möchte – zum 1. April, (…) hatte es das Oberlandesgericht Oldenburg mit einem Autofahrer zu tun, der behauptete, mit seinen Sommerreifen auf Eis genau so gut rutschen zu können, wie mit der bei winterlichen Straßenverhältnissen vorgeschriebenen geeigneten Bereifung. Was bei flüchtiger Betrachtung wie ein Beitrag zu `Wetten dass …´ anmutet, entpuppte sich als verkehrsrechtlicher Paukenschlag. (…) Niemand außer deutsche Oberrichter würden aber auf die Idee kommen, herkömmliche Sommerreifen als generell für winterliche Straßenverhältnisse anzusehen.“

Die Schelte von Richtern, die ein Gesetz auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft haben, ist ärgerlich genug. Dass dazu die Begründung der Entscheidung des Gerichts derart verkürzt und damit schlicht falsch durch einen Generalbundesanwalt a. D. wiedergegeben wird, ist kaum zu fassen. Danach vermag es nicht zu verwundern, dass der Recht suchende Bürger wie auch der von ihm gewählte Verteidiger für Verkehrsstrafrecht ihr Fett abbekommen:

„In der Praxis gerät jedoch ein Halter, der den Verkehrsverstoß begangen hat und sich im Vertrauen auf die großzügige deutsche Rechtspraxis in Schweigen hüllt, in die Bredouille: Schweigen im ausländischen Verfahren nützt nichts; er muss schon Verwaltung und Gericht beschwindeln. Das bereitet, wie wir alle wissen, kaum ernsthafte Probleme. Zart Besaitete lassen ihren Anwalt sprechen.“

Ja, so wünscht man sich doch ein nettes Familentreffen. Es wird rumgegiftet, schon nach wenigen Stunden fragt man sich, weshalb man überhaupt gekommen ist und trotzdem ist man im nächsten Jahr wieder dabei.

Alle Jahre wieder!

Es ist mal wieder so weit: Der erste Monat im Jahr neigt sich dem Ende zu und die Verkehrsrechtler und -wissenschaftler der Nation strömen in Goslar zum Deutschen Verkehrsgerichtstag zusammen; in diesem Jahr zum 49. Male. Ich habe mich dieses Jahr für die Teilnahme am Arbeitskreis I entschieden: „Drogendelikte im Verkehr“.

Es sieht danach aus, dass der Arbeitskreis dazu genutzt werden soll, dem Gesetzgeber das sogenannte „Stuttgarter-Modell“ als neues gesetzgeberisches Reform-Vorhaben zu empfehlen. Dabei handelt es sich wohl eher um alten Wein in neuen Schläuchen. Der herkömmliche Name des gepanschten Fusel, der da aus Baden-Württemberg angeboten wird, lautet: „Kurzer Prozess“. Es wird sich zeigen, ob sich die Verfechter eines solchen in den vom Verkehrsgerichtstag ausgehenden Empfehlungen an den Gesetzgeber durchsetzen werden. Bericht folgt.

Sind sie zu …, bist Du zu …!

Das Ergebnis einer Messung der Alkoholkonzentration in der Atemluft (AAK) kann durch Fremdsubstanzen, die sich während der Messung in der Mundhöhle befinden, beeinflusst werden. Insbesondere natürlich Alkohol und alkoholhaltige Genussmittel wie zum Beispiel Weinbrandbohnen verfälschen das Messergebnis. Aber auch Pastillen der Marke FISHERMAN’S FRIEND führen zu nicht völlig vernachlässigbaren Abweichungen.

So traf ein zum Bezirk des Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gehörendes Amtsgericht nach Anhörung eines Sachverständigen die Feststellung, dass der nicht länger als zehn Minuten vor Durchführung der AAK-Messung zurück liegende Konsum von besagten Bonbons zu – wenn auch minimalen – Abweichungen führen könne. Aber auch minimale Messfehler können sich auswirken; nämlich immer dann, wenn der Grenzwert von 0,25 mg/l bei der AAK-Messung (entspr. 0,5 Promille BAK) nur knapp überschritten wurde. Immerhin geht es in solchen Fällen neben einer Geldbuße auch stets um ein Fahrverbot.

 

„Das habe ich doch alles schon hinter mir.“

Es  mag ja sein, dass dieser Fahrradfahrer schon so einiges hinter sich hat. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass er deshalb schon nichts mehr zu erwarten hätte.

Die Grenze zwischen relativer und absoluter Fahruntüchtigkeit liegt für Führer eines Kraftfahrzeugs bei 1,1 Promille. Die Blutalkoholkonzentration eines Fahrradfahrers muss erheblich höher liegen, damit die Polizei, auch ohne einen alkoholbedingten Fahrfehler beobachtet zu haben, eine Trunkeneinheitsfahrt im Sinne des Strafgesetzbuches zum Vorwurf machen kann. Bei 1,6 Promille ist für Fahrradfahrer die absolute Fahruntüchtigkeit erreicht. In solchen Fällen ist mit der Einleitung eines Strafverfahrens, in welchem eine Geldstrafe verhängt werden kann, zu rechnen. Der Entzug der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht erfolgt nicht. Was nicht bedeutet, dass der Führerschein nicht dennoch in Gefahr ist. Für die Frage, ob als Folge der Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zweifelhaft ist, wird sich im Anschluss an das Strafverfahren die Fahrerlaubnisbehörde interessieren.

Amtsgericht Parchim

Wer in Notwehr eine Körperverletzung begeht, handelt nicht rechtswidrig und macht sich deswegen auch nicht strafbar. Notwehr ist nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuches (StGB) jene Handlung, die geeignet und erforderlich ist, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sich oder einen Dritten abzuwehren. Was in der Sprache des Gesetzgebers so einfach klingt, bereitet in der Praxis des Strafverteidigers häufig nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere dann, wenn die Angreifer  gegenüber der Polizei ihre eigene schändliche Tat in Abrede stellen. Und ihrerseits behaupten, Opfer einer Körperverletzung geworden zu sein, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund geliefert zu haben. So geschehen einem meiner Mandanten in einer Discothek in MV.

Dieser sah sich unvermittelt von drei Streithähnen umringt, die ihm nicht nur schon bedrohlich nahe gekommen waren, sondern auch Hand angelegt hatten, um ihn niederzuringen. Ohne Erfolg. Beeindruckt von heftiger Gegenwehr nahmen die Angreifer nicht nur Abstand von ihrem Vorhaben sondern eben auch von meinem Mandanten. Bilanz auf Seiten der Angreifer: Ein gebrochenes Nasenbein. Nachdem dieses in einem nahe gelegenen Krankenhaus wieder in Form gebracht worden war, wurde vom Verletzten die örtliche Polizeiwache aufgesucht und Anzeige erstattet.

Gestern wurde über den gegen meinen Mandanten durch die Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Körperverletzung in strafgerichtlicher Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht verhandelt. Während mein Mandant auf der Anklagebank Platz zu nehmen hatte, betraten seine Angreifer den Gerichtssaal als Zeugen und wurden vernommen. Wie es solche Beweislagen erfordern, sehr ausgiebig. Zu jedem Detail. Mochte es zunächst auch noch so bedeutungslos erscheinen. Und am Ende mit Erfolg: Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde ohne jegliche Auflagen auf Kosten der Landeskasse eingestellt.

Polizeibeamte umgehen Richtervorbehalt

Ein einfaches „Nein“ sollte in aller Regel genügen. Wenn mangelnde Bereitschaft, Ablehnung, Widerspruch zum Ausdruck gebracht werden sollen, muss eine verbale Bekundung entgegen stehenden Willens als ausreichend erachtet werden, um wahr und ernst genommen zu werden. Erst recht, wenn es sich bei dem Adressaten der Willensbekundung um einen Vertreter der Staatsgewalt handelt, der unter Anwendung der ihm qua Gesetz eingeräumten Kompetenzen dem Widersprechenden gegenübersteht. Zum Beispiel des nachts während einer polizeilichen Verkehrskontrolle. Und – vorbei am gesetzlich geregelten Richtervorbehalt – eine Blutentnahme anordnet.

Selbstverständlich? Weit gefehlt. Auf der Grundlage der mir jüngst von meinen Mandanten, die in eine solche Situation gerieten, erstatteten Berichte, musste ich folgendes Bild von der Vorgehensweise mancher Polizeibeamter gewinnen:

Also wir nehmen Sie jetzt mit zur Blutentnahme. Können Sie verweigern. Wird aber so wie so gemacht. Notfalls müssen wir unmittelbaren Zwang anwenden. Das könnte dann unangenhmer für Sie sein, als wenn Sie die Blutentnahme freiwillig über sich ergehen lassen. Also, wie wollen Sie es haben?“

Dass die Entscheidung in den meisten Fällen für „freiwillig“ ausfällt, wird nicht verwundern. Nach dieser Ansage stellt sich so mancher vor, dass keine Möglichkeit besteht, auch nur Widerspruch zu erheben, ohne nicht das Risiko einer durch Gewaltanwendung erzwungenen kurzfristigen Öffnung einer Armvene einzugehen. Wer will das schon. In den Ermittlungsakten findet sich dann der Hinweis, dass der Tatverdächtige/Beschuldigte in die Blutentnahme eingewilligt hat.

Diese angebliche Einwilligung erspart es den Polizeibeamten, die Anordnung der Blutentnahme bei einem Richter einzuholen. So wie es das Gesetz grundsätzlich vorsieht. Nur ausnahmsweise dürfen die Verfolgungsbehörden selbst – wegen Gefahr im Verzuge – die Blutentnahme anordnen. Das muss dann aber gewissenhaft und nachprüfbar begründet werden. Und kostet Mühe und Zeit. Und man könnte mit der Begründung ja auch mal falsch liegen. Um wie viel bequemer ist es da doch, wenn der Tatverdächtig in die Maßnahme einwilligt. Aber ist eine solche Einwilligung noch freiwillig erfolgt oder durch List und Tücke abgetrotzt, wenn schon die „Belehrung“ in die Irre führt.

Denn es mag ja sein, dass die Blutentnahme so oder so angeordnet wird. Ob nun durch einen Richter oder durch einen Polizeibeamten wegen Gefahr im Verzuge. Um sich seine Rechte vollständig zu wahren, reicht es ganz und gar aus, dass der Betroffene seinen Widerspruch gegen die Anordnung erklärt. Es kommt auf keinen Fall darauf an, dass er sich der Blutentnahme auch physisch widersetzt. Die kann er nach Erhebung des Widerspruchs immer noch ohne Weiteres über sich entgehen lassen.

Eigentlich ist es noch nicht einmal erforderlich, dass ein Widerspruch zum Ausdruck gebracht wird. Das Verweigern der von den Beamten „erbetenen“ Zustimmung reicht nach der Gesetzeslage schon aus. Aber: ein einfaches „Nein“ kann ja nicht schaden – tut gar nicht weh.

Höhere Strafe für schweigenden Angeklagten?

“ … wird der Angeklagte darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.“ § 243 Abs. 5  S. StPO. Zugegeben: Besonders originell mutet es nicht an, einen der Artikel für mein Blog mit einem Zitat aus der Strafprozessordnung zu beginnen. Aber bisweilen ist es angezeigt, das Gesetz in Erinnerung zu rufen. Und zwar gerade jene Normen, die zumindest jeder Profi kennen sollte und vermutlich auch meint zu kennen. So wohl auch der Staatsanwalt in einer Verhandlung vor dem Amtgericht Königs Wusterhausen, an der ich als Verteidiger des Angeklagten teilnahm, und in der heute, am inzwischen dritten Verhandlungstag, zu plädieren war.

Zuvor sollten noch zwei Zeugen vernommen werden, von denen man sich von vornherein nicht sehr viel mehr Neues erwartet hatte. Außerdem noch das ein oder andere Schriftstück durch Verlesen in die Beweisaufnahme eingeführt werden, und dann sollte es das gewesen sein. Schluss der Beweisaufnahme und dann die Plädoyers. Nichts Ausergewöhnliches. Aber dann: Der Staatsanwalt beginnt seinen Schlussvortrag mit einem Hinweis darauf, dass sich der Angeklagte nicht geäußert habe. Hmm. Die Tat, derer er angeklagt ist, sei bei ihm „wohl noch gar nicht richtig angekommen„, was auch immer damit zum Ausdruck gebracht werden sollte. Jedenfalls werde das im Rahmen der Strafzumessung, auf die der Staatsanwalt später in seinem Plädoyer zu sprechen komme wolle, zu berücksichtigen sein. Wie bitte?

Eigentlich gab es in diesem Verfahren nicht all‘ zu viel Anlass für Verärgerung, und ich hatte  gedacht, dass das heute ein recht entspannter Tag werden könnte. Aber nun, da ich den Worten des Vertreters der Anklage lausche, spüre ich dann doch wieder diesen Druck in meinem Hals, der sich aus Gefühlen wie Wut und Fassungslosgkeit speist, und den Wunsch verspüren lässt, mich jetzt sofort von meinem Stuhl zu erheben und das Wort vorzeitig zu ergreifen. Kann es denn wirklich möglich sein, dass ein Volljurist …?

Wenn meine Mandanten besorgt die Frage an mich richten, ob es ihnen denn nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn sie meinem Rat folgen, und sich nicht zur Sache einlassen – sich also durch Schweigen verteidigen -, dann dürfen sie sich auf meine für die Belange meiner Mandanten schier unerschöpfliche Geduld verlassen, mit der ich erforderlichenfalls auch wiederholt die Rechtslage erkläre. Meine Mandanten dürfen das. Sie sind Laien. Und sie sind meine Mandanten. Und ich ihr Verteidiger.

Aber der Staatsanwalt, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ein des Lesens kundiger Volljurist, darf der das? Jedenfalls darf er sich nicht beschweren, wenn mein Plädoyer als Reaktion auf solchen Unsinn etwas gröber ausfällt. Das Recht zu schweigen, ist ein Recht des Angeklagten. Es steht ihm frei, so schon der Gesetzeswortlaut, davon Gebrauch zu machen. Stünde es ihm tatsächlich frei, wenn er nur wegen des Gebrauchmachens vom Schweigerecht mit höherer Strafe zu rechnen hätte. Natürlich nicht. Das habe ich dann in meinem Schlussvortrag noch mal in aller Ruhe und gaaanz ausführlich erklärt. Hat dann zwar etwas länger gedauert, so dass das Gericht heute nicht mehr zur Urteilsberatung kam. Aber was soll man machen.

Amtsgericht Potsdam

Der während des Ermittlungsverfahrens zuständige Haftrichter in Strafsachen ist beim Amtsgericht angesiedelt. Im Falle eines meiner Mandanten, gegen den die Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren führt, ist das Amtsgericht Potsdam örtlich zuständig. Dort wurde heute auf meinen Antrag hin ein Haftprüfungstermin durchgeführt.

Nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage ließ sich der Haftrichter davon überzeugen, dass der junge Familienvater, der da in einem Vernehmungsraum des Gefangenengewahrsams des Amtsgericht Potsdam vor ihm saß, eine Haftverschonung ganz sicher nicht nutzen würde, um zu flüchten. Das Weihnachtsfest bei seiner Frau und seinen Kindern zu verbringen, ist der sehnlichste Wunsch des sich nun schon seit drei Monaten in Untersuchungshaft befindlichen Mandanten. Gegen Meldeauflagen wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen und konnte von mir so gleich in die Arme seiner Frau übergeben werden. Oh Du Fröhliche! 

Amtsgericht Potsdam, Jägerallee 10-12, 14467 Potsdam

N52 24.268 E13 03.201


 

 

Nachweispflicht für Fachanwälte

Die berufsrechtliche Pflicht, sich regelmäßig fortzubilden, trifft jeden Rechtsanwalt. Ob der einzelne Rechtsanwalt diese Pflicht auch erfüllt, weiß nur er. Ein Nachweis über die Teilnahme an anerkannten Fortbildungsmaßnahmen wird ihm nicht abverlangt. Es sei denn, der Rechtsanwalt ist auch zugleich Fachanwalt. Fachanwälte müssen Ihre alljährliche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen gegen über der für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer belegen. Und zwar für jeden Fachanwaltstitel bzw. auf jedem Rechtsgebiet, auf welchem sich der Rechtsanwalt spezialisiert hat.

Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides wegen Drogenfahrt

Wer unter der Wirkung berauschender Mittel wie beispielsweise Cannabis oder Kokain im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, begeht zumindest eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG, die nach der Bußgeldkataklog-Verordnung mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot geahndet werden kann. Formelle Voraussetzung für eine solche Sanktion ist, dass der Bußgeldbescheid, mit dem die Geldbuße verhängt und das Fahrverbot angeordnet werden, wirksam ist. Daran kann es aus verschiedenen Gründen fehlen.

Gelegentlich übersehen Ordnungsbehörden, die Bußgeldbescheide erlassen, elementare Voraussetzungen für deren Wirksamkeit. Eine dieser Voraussetzungen ist die hinreichende Konkretisierung der Tat. Die Konkretisierung hat sich naturgemäß am abstrakten Vorwurf des Wortlautes des gesetzlichen Tatbestandes zu orientieren. Aber das Gesetz genau zu lesen, bereitet dem ein oder anderen Behördenvertreter wohl doch ungeahnte Schwierigkeiten.

Im § 24 a Abs. 2 StVG ist ausdrücklich von „Wirkung“ die Rede. Da bekanntermaßen die Wirkung von Drogen erst durch bzw. ab bestimmten Konsummengen erreicht wird, reicht es für die Wirksamkeit eines Bußgeldbescheides nicht aus, wenn es darin lediglich heißt: „… Sie führten ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung des berauschenden Mittels …“, ohne dass nicht auch noch die festgestellte Wirkstoffkonzentration mitgeteilt wird.

Winterreifenpflicht verfassungswidrig

Der Volksmund spricht bisweilen von „Gummiparagraphen“, wenn der Wortlaut eines Gesetzes so unklar ist, dass man mit seiner Auslegung sowohl zu der einen wie auch zu einer ganz anderen rechtlichen Bewertung ein und desselben Lebenssachverhaltes gelangen kann. In der Sprache des Fachmann wird in solchen Fällen gesetzgeberischer Fehlleistung von einem Mangel an Bestimmtheit gesprochen. Das sogenannte Bestimmtheitsgebot ist in Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) zu finden. Ein Verstoß dagegen führt zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, dem es an Bestimmtheit mangelt.

Ob eine Straf- oder Bußgeldnorm den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes entspricht, ist maßgeblich davon abhängig, ob der Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes erkennbar und verstehbar ist. Davon kann bei der Formulierung des Bußgeldtatbestandes, mit dem die Verletzung der sogenannten Winterreifenpflicht geahndet wird, nicht die Rede sein. So sieht es jedenfalls das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Unter strahlender Hochsommersonne hat es jüngst entschieden, dass der Bußgeldtatbestand verfassungswidrig und damit ungültig sei.

Die Anforderung, ein Kraftfahrzeug mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung auszustatten, sei nicht ohne Weiteres zu erfüllen. Denn weder aus dem Bußgeldtatbestand selbst noch aus einer anderen, damit in Verbindung stehenden Norm lasse sich ableiten, um was für eine Bereifung es sich dabei konkret handeln soll.

Erhöhung der Geldbuße wegen Voreintragungen?

Wer in Flensburg bereits mit Punkten belastet ist, muss im Falle einer erneuten Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Erhöhung der Geldbuße rechnen. Es sei denn, die Eintragung im Verkehrszentralregister war bereits zur Tilgung reif, als der neue Verstoß begangen wurde. Denn in Flensburg eingetragene Entscheidungen, die älter als zwei Jahre und auch tilgungsreif sind, dürfen bei der Ahndung eines neuen Verstoßes nicht mehr berücksichtigt werden. Dieses sogenannte Verwertungsverbot ergibt sich aus § 29 Abs.3 S. 1 StVG. Aber wie wirken sich Punkte aus, die zwar erst nach der neuen Ordnungswidrigkeit aber vor deren Ahndung tilgungsreif werden?

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Ahndung. Findet nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eine Verhandlung vor dem Amtsgericht statt, so kommt es auf das Datum an, zu dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird. Ist hinsichtlich der Voreintragungen bis dahin Tilgungsreife eingetreten, dürfen sie bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr herangezogen werden.

Es kann sich also schon aus diesem Grunde lohnen, gegen einen Bußgeldbescheid auf jeden Fall Einspruch einzulegen.