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Legal – illegal – Sch*** egal!

So haben das die Richter des ersten Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm selbstverständlich nicht gemeint. Und selbst wenn sie es so gemeint hätten, würden sie es doch nicht so vulgär ausdrücken. Hochdotierte Ober-Richter können das besser: Zwar handelt es sich bei der nicht anlassbezogenen Dauervideoüberwachung sämtlicher sich im fließenden Verkehr befindlicher Verkehrsteilnehmer um einen systematischen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der überwachten Personen, der in Ermangelung einer gesetzmäßigen Eingriffsbefugnis verfassungswidrig ist; der Verwertung der durch die rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen gewonnenen Erkenntnisse  steht dennoch nichts im Wege.

Alles klar? Nein? Na dann noch mal ganz langsam: Das Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 erfasst alle sich im Fließverkehr befindlichen Verkehrsteilnehmer. Ganz unabhängig davon, ob sie gerade eine Verkehrsordnungswidrigkeit – zum Beispiel eine Geschwindigkeitsüberschreitung –  begehen oder sich hundertprozentig an die Verkehrsregeln halten. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass diese Art der Beweisgewinnung bzw. -erhebung rechtswidrig ist.

Nun sollte man annehmen, dass Beweismittel, die überhaupt erst durch einen Verstoß gegen Verfassungsrecht erlangt werden konnten, von einem an eben dieses Recht gebundenen Gericht nicht verwertet werden dürfen. In den Vereinigten Staaten ist das auch so. In Deutschland aber nicht. Denn im Zeitpunkt der Messung, um die es in der Entscheidung des OLG Hamm ging, habe es die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum besagten Verkehrskontrollsystem noch nicht gegeben. Und deshalb habe die überwachende Verkehrsbehörde nicht wissen können, dass ihr Verhalten gegen die Verfassung verstößt. Also hat sie nicht willkürlich gehandelt. Und deshalb dürfen die Ergebnisse ihres rechtswidrigen Handelns verwendet werden, auch vor Gericht.

Wenn also der Rauschgifthändler nicht weiß, dass das Handeltreiben mit Heroin verboten ist, weil es ihm noch keiner gesagt hat, dann darf er den Gewinn aus seinen illegalen Geschäften behalten? Dummer Vergleich! Das ist doch jetzt  unsachliche Polemik! Die gehört hier nicht her. Schluss damit!

AG Eilenburg nimmt Bundesverfassungsgericht beim Wort

… und stellt Verfahren gegen Temposünder ein. Dabei war die Geschwindigkeitsmessung in dem durch das Gericht zu verhandelnden Fall gar nicht mit dem Verkehrskontrollsystem (VKS) erfolgt, welches das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer spektakulären Entscheidung im August des vergangenen Jahres veranlasste. Stattdessen war es der Einsatz eines Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs ESO ES 1, welches den Amtsrichter an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zweifeln ließ.

Das auf Lichtschranken basierende Geschwindigkeitsmessgerät wird von der in Tettnang ansässigen Firma ESO GmbH hergestellt. In seiner Funktionsweise erblickt das AG Eilenburg bedeutsame Übereinstimmungen mit dem VKS, dessen Einsatz das BVerfG für verfassungswidrig erklärt hat, weil damit gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen wird. Denn letztlich würden auch mit dem ESO ES 1.0 verdachtsunabhängige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, indem zum Zwecke der Identitätsfeststellung Lichtbilder hergestellt werden. Zwar soll die Fotoaufnahme erst ausgelöst werden, wenn das Gerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung als Ergebnis einer Weg-Zeit-Messung festgestellt habe. Danach trifft dann aber das Gerät „die Entscheidung“, ob die Fotoauslösung erfolgt oder nicht. Ein technisches Gerät kann aber keinen Verdacht hegen.

Verdacht im Sinne von Argwohn bedeutet, Übles von jemandem zu denken. Denken aber sollte der Messbeamte, dessen Tätigkeit sich aber während des Messbetriebes in aller Regel darauf beschränkt, den Messbetrieb zu überwachen. Entscheidungen, die von einem von ihm entwickelten Verdacht abhängen, trifft er nicht.

Die Entscheidung des Richters am Amtsgericht Eilenburg ist jedenfalls konsequent. Ob sich seine Rechtsansicht auf Dauer durchsetzen wird, bleibt fraglich.