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Kann denn Logik Sünde sein?

EU-Fahrerlaubnisse sind grundsätzlich anzuerkennen, solange der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen Wohnsitz am Ort der ausstellenden Behörde hatte, UND eine für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach Entzug der alten Fahrerlaubnis verhängte Sperrfrist abgelaufen war. So eindeutig und klar entschieden durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Aber wenn gar nicht erst eine Sperrfrist verhängt wurde, die vor Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis auslaufen könnte, was dann?

Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm Ende vergangenen Jahres zu beschäftigen. Mit dem Rechtsmittel der Revision hatte die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft den Freispruch des Inhabers einer in Spanien erteilten Fahrerlaubnis angegriffen. Dem Führerscheininhaber war Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen worden, weil er mit seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, nachdem ihm zuvor seine deutsche Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen worden war. Eine Sperrfrist für die Ausstellung eines neuen Führerscheins hatte die Fahrerlaubnisbehörde nicht ausgesprochen.

Somit konnte eine der Voraussetzungen, die der EuGH für die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aufgestellt hat, nicht eintreten. Das meinte jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Wenn der EuGH davon spricht, dass die anzuerkennende Fahrerlaubnis außerhalb einer Sperrfrist erteilt worden sein muss, dann muss es im konkreten Fall quasi als Gegensatz dazu auch eine Zeitspanne innerhalb einer Sperrfrist geben. Keine Sperrfrist, also auch kein Innerhalb und kein Außerhalb einer Sperrfrist. So die Argumentation der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwaltes, die jedoch die Richter des in der Revisionsinstanz zuständigen OLG Hamm bei weitem nicht für so spitzfindig hielten wie der Revisionsführer selbst.

Die Richter des dritten Senats des OLG Hamm zeigten sich eher verständnislos. Tenor und Begründung der vom April des letzten Jahren stammenden Entscheidung des EuGH zur Anwendung der sogenannten dritten EU-Führerscheinrichtlinie lassen die von der Staatsanwaltschaft bemühte Auslegung gar nicht erst zu. Das Anliegen besagter EU-Richtlinie liege ja gerade darin, so der EuGH, einem EU-Bürger, dem seine Fahrerlaubnis in einem der Mitgliedsstaaten entzogen wurde, nicht ein für alle Mal den Weg zum Erwerb einer Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat zu versperren. Genau das käme aber dabei heraus, wenn man die Richtlinie bzw. die EuGH-Entscheidung so auszulegen versucht, wie in diesem Fall durch die Staatsanwaltschaft geschehen.

Lieber ein paar Stunden sitzen als einen Monat laufen

Wird ein Führerscheininhaber wegen einer Verkehrsstraftat zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt, entzieht ihm das Gericht in der Regel auch die Fahrerlaubnis und spricht gemäß § 69 a StGB eine so genannte Sperrfrist aus, innerhalb derer es der Fahrerlaubnisbehörde untersagt ist, eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Das Gesetz sieht vor, dass die Sperre nicht weniger als drei Monate dauern soll. In gewichtigen Ausnahmefällen aber kann die Sperre sogar für immer angeordnet werden. Ansonsten liegt die gesetzliche Höchstfrist bei fünf Jahren. Selbst wenn ein solches Urteil rechtskräftig wird, ist damit noch nicht das letzte Wort in Sachen Führerschein gesprochen.

Jedenfalls dann nicht, wenn man die immerhin aus sieben Absätzen bestehende Strafrechtsnorm vollständig kennt und die Chancen zu nutzen weiß, die sie auch zu bieten hat. Die Dauer der Sperrfrist soll das Gericht nämlich an der Zeit ausrichten, die es für erforderlich hält, die „Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr“ zu bewirken.

Der Tatrichter stellt also im Zeitpunkt des Urteils eine Prognose an. Die Umstände, die er seiner Prognose zugrunde legt, können sich im Nachhinein ändern. Das Gesetz spricht davon, dass sich ein Grund für die Annahme ergibt, dass „der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist.“ In einem solchen Fall kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben.

So hat beispielsweise das Landgericht (LG) Erfurt eine Sperrfrist von ursprünglich sechs Monaten nachträglich um einen Monat verkürzt, nachdem der Verurteilte an einer verkehrspsychologischen Intervention teilgenommen hatte. Die Maßnahme erstreckte sich über drei jeweils 90 Minuten währende Einzelgespräche.