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Amtsgericht Brandenburg a. H.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat einen meiner Mandanten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt. Er soll nicht berechtigt gewesen sein, eine Fahrerlaubnis in Polen zu erwerben. Das Amtsgericht Brandenburg a. H. hat ihn freigesprochen. 

Dass der Führerschein nach Ablauf einer gegen den Mandanten verhängten Sperrfrist ausgestellt worden war, stand außer Frage. Damit war eine der Voraussetzungen, unter denen deutsche Behörden eine in einem EU-Mitgliedsstaat erlangte Fahrerlaubnis anerkennen müssen, erfüllt. Die Staatsanwaltschaft stellte in Abrede, dass auch die zweite Voraussetzung erfüllt worden war. Mein Mandant die Fahrerlaubnis unter Verletzung des sogenannten Wohnortprinzips erlangt haben.

Ihren entsprechenden Verdacht stützte der Staatsanwalt ausschließlich auf Ermittlungsergebnissen seiner polnischen Kollegen. Die hatten wohl herausbekommen, dass die Fahrschule, bei der der Angeklagte sich angemeldet hatte, ihren Fahrschülern auch gleich noch eine Wohnung vermittelt hatte. In der wenige Quadratmeter großen Unterkunft sollen zeitgleich bis zu vierzig Personen gemeldet gewesen sein.

Ob aber auch mein Mandant unter derselben Adresse gemeldet war, wurde nicht ermittelt. Der Name der Fahrschule reichte aus, um Anklage zu erheben. Das Gericht wollte sich damit nicht zufrieden geben und sprach den Mandanten vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis frei.

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Kann denn Logik Sünde sein?

EU-Fahrerlaubnisse sind grundsätzlich anzuerkennen, solange der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen Wohnsitz am Ort der ausstellenden Behörde hatte, UND eine für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach Entzug der alten Fahrerlaubnis verhängte Sperrfrist abgelaufen war. So eindeutig und klar entschieden durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Aber wenn gar nicht erst eine Sperrfrist verhängt wurde, die vor Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis auslaufen könnte, was dann?

Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm Ende vergangenen Jahres zu beschäftigen. Mit dem Rechtsmittel der Revision hatte die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft den Freispruch des Inhabers einer in Spanien erteilten Fahrerlaubnis angegriffen. Dem Führerscheininhaber war Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen worden, weil er mit seiner spanischen Fahrerlaubnis in Deutschland ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, nachdem ihm zuvor seine deutsche Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen worden war. Eine Sperrfrist für die Ausstellung eines neuen Führerscheins hatte die Fahrerlaubnisbehörde nicht ausgesprochen.

Somit konnte eine der Voraussetzungen, die der EuGH für die Anerkennung von Fahrerlaubnissen aufgestellt hat, nicht eintreten. Das meinte jedenfalls die Staatsanwaltschaft. Wenn der EuGH davon spricht, dass die anzuerkennende Fahrerlaubnis außerhalb einer Sperrfrist erteilt worden sein muss, dann muss es im konkreten Fall quasi als Gegensatz dazu auch eine Zeitspanne innerhalb einer Sperrfrist geben. Keine Sperrfrist, also auch kein Innerhalb und kein Außerhalb einer Sperrfrist. So die Argumentation der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwaltes, die jedoch die Richter des in der Revisionsinstanz zuständigen OLG Hamm bei weitem nicht für so spitzfindig hielten wie der Revisionsführer selbst.

Die Richter des dritten Senats des OLG Hamm zeigten sich eher verständnislos. Tenor und Begründung der vom April des letzten Jahren stammenden Entscheidung des EuGH zur Anwendung der sogenannten dritten EU-Führerscheinrichtlinie lassen die von der Staatsanwaltschaft bemühte Auslegung gar nicht erst zu. Das Anliegen besagter EU-Richtlinie liege ja gerade darin, so der EuGH, einem EU-Bürger, dem seine Fahrerlaubnis in einem der Mitgliedsstaaten entzogen wurde, nicht ein für alle Mal den Weg zum Erwerb einer Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat zu versperren. Genau das käme aber dabei heraus, wenn man die Richtlinie bzw. die EuGH-Entscheidung so auszulegen versucht, wie in diesem Fall durch die Staatsanwaltschaft geschehen.

Fehlurteile

„Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen.“ Mit dieser lakonischen Feststellung hat der Kabarettist Dieter Hildebrandt schon vor vielen Jahren der zur Volksweisheit gewordenen Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, im Recht zu sein, man müsse es auch bekommen, eine weitere Formulierung  hinzugefügt. Dabei konnte er, als er sein Misstrauen gegenüber den Leistungen der Justiz so zum Ausdruck brachte, die ungezählten Fehlurteile, die die Strafjustiz in der Folgezeit in Sachen „Fühererschein“ landauf landab noch zustande bringen sollte, gar nicht kennen. Gemeint sind die zahlreichen Strafverfahren, an deren Ende die Inhaber von EU-Fahrerlaubnissen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu Geld- oder gar Freiheitsstrafen verurteilt wurden, obwohl sie unschuldig waren. Weiterlesen