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Bundesverfassungsgericht hält weiter gegen!

Mittlerweile zum dritten Mal sieht sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlasst, in Sachen „Blutentnahme beim Verdacht auf Trunkenheitsfahrt“ auf die Einhaltung des Gesetzes zu pochen. Trotz der grundlegenden und eindeutigen Entscheidungen der Verfassungshüter aus den Jahren 2007 und 2008 hat die polizeiliche Praxis kaum eine den Vorgaben des BVerfG gerecht werdende Änderung erfahren. Land auf Land ab ordnen Polizeibeamte nach wie vor wegen angeblicher Gefahr im Verzuge Blutentnahmen gegenüber wegen einer Trunkenheitsfahrt verdächtigen Fahrzeugführern an, ohne sich zuvor um eine richterliche Anordnung zumindest bemüht zu haben.

Die Umgehung des gesetzlich geregelten Richtervorbehalts (§ 81 a Abs. 1 StPO) wird häufig damit gerechtfertigt, dass außerhalb der üblichen Dienstzeiten der Gerichte so wie so kein Richter zu erreichen sei, dem die Frage, ob eine Blutentnahme durchgeführt werden darf, vorgelegt werden könne. Mit dieser Begründung wird dann immer wieder darauf verzichtet, auch nur einen entsprechenden Versuch zu unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet in seiner jüngsten Entscheidung, dass gar nicht erst geklärt wird, ob tatsächlich kein Richter zu erreichen war, bevor die Anweisung eines Staatsanwaltes eingeholt wurde.

Damit stellt sich das BVerfG gegen eine Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, welches die Auffassung vertritt, dass das Gesetz eine solche stufenweise Vorgehensweise nicht verlangen würde. Die Verfassungsrichter gehen sogar noch weiter. Die Umstände, auf die die Polizei ihre Annahme stützt, der mit der Einschaltung  eines Richters verbundene zeitliche Aufwand gefährde den Untersuchungszweck, müssen in der Ermittlungsakte überprüfbar dokumentiert werden.

Die Auseinandersetzung um die richtige Anwendung des Gesetzes geht mit der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in die nächste Runde. Den Betroffenen ist zu raten, einer Anordnung der Blutentnahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft zu widersprechen und keine Einwilligung zu erklären. Dazu ist es nicht erforderlich, sich der Maßnahme zu widersetzen. Beugt sich der Betroffene der Androhung körperlichen Zwangs, bleibt der zuvor erklärte Widerspruch dennoch wirksam. Blaue Flecke und eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sollten nicht riskiert werden.

AG Eilenburg nimmt Bundesverfassungsgericht beim Wort

… und stellt Verfahren gegen Temposünder ein. Dabei war die Geschwindigkeitsmessung in dem durch das Gericht zu verhandelnden Fall gar nicht mit dem Verkehrskontrollsystem (VKS) erfolgt, welches das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer spektakulären Entscheidung im August des vergangenen Jahres veranlasste. Stattdessen war es der Einsatz eines Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs ESO ES 1, welches den Amtsrichter an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zweifeln ließ.

Das auf Lichtschranken basierende Geschwindigkeitsmessgerät wird von der in Tettnang ansässigen Firma ESO GmbH hergestellt. In seiner Funktionsweise erblickt das AG Eilenburg bedeutsame Übereinstimmungen mit dem VKS, dessen Einsatz das BVerfG für verfassungswidrig erklärt hat, weil damit gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen wird. Denn letztlich würden auch mit dem ESO ES 1.0 verdachtsunabhängige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, indem zum Zwecke der Identitätsfeststellung Lichtbilder hergestellt werden. Zwar soll die Fotoaufnahme erst ausgelöst werden, wenn das Gerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung als Ergebnis einer Weg-Zeit-Messung festgestellt habe. Danach trifft dann aber das Gerät „die Entscheidung“, ob die Fotoauslösung erfolgt oder nicht. Ein technisches Gerät kann aber keinen Verdacht hegen.

Verdacht im Sinne von Argwohn bedeutet, Übles von jemandem zu denken. Denken aber sollte der Messbeamte, dessen Tätigkeit sich aber während des Messbetriebes in aller Regel darauf beschränkt, den Messbetrieb zu überwachen. Entscheidungen, die von einem von ihm entwickelten Verdacht abhängen, trifft er nicht.

Die Entscheidung des Richters am Amtsgericht Eilenburg ist jedenfalls konsequent. Ob sich seine Rechtsansicht auf Dauer durchsetzen wird, bleibt fraglich.