„Straftäter in Uniform“

In dubio pro reo. Der sogenannte Zweifelssatz gehört zu den aus der Verfassung abgeleiteten Grundsätzen des Strafverfahrens. Er schreibt dem Richter nicht vor, ob und wann er zu zweifeln hat, sondern wie sich Zweifel auswirken, die trotz aller Anstrengungen, einen Sachverhalt aufzuklären, noch geblieben sind. So wie in diesem Fall zweier prügelnder Polizisten.

Dass zwei Polizeibeamte am 1. Mai vor zwei Jahren gegen zwei Personen Reizgas einsetzten, sie mit Faustschlägen malträtierten und mit Fußtritten nachsetzten, ohne dass es dafür einen „Anlass geschweige denn eine Rechtfertigung“ (Oberstaatsanwalt Knispel) gegeben hatte, steht sowohl für die Staatsanwaltschaft Berlin als auch für das Amtsgericht Tiergarten völlig außer Zweifel. Auch die Einsatzhundertschaft, zu der die Gewalttäter gehören, ist der Justiz bekannt. Und das Gericht hielt es nach durchgeführter Beweisaufnahme auch für wahrscheinlich, dass es die beiden aus dieser Einsatzhundertschaft stammenden Angeklagten waren, die gesprüht, geschlagen und getreten hatten. Denn für sie gilt das Vermummungsverbot nicht. Und welch‘ Wunder, ihre als Zeugen vernommenen Kollegen hatten zur Aufklärung des Falles nichts beizutragen. Vermutlich wäre der Fall nicht einmal zur Anklage und bis vor ein Gericht gelangt, wenn die Polizisten nicht ausgerechnet über einen Kollegen in Zivil hergefallen wären, dessen Angaben, anders als in so manch anderen Fällen, ernst genommen wurden. Aber letztendlich ohne Konsequenz. Denn angesichts der von ihm beschriebenen massiven Gewalt war es ihm nicht möglich, die auf den Rücken der Uniformen zum Zwecke der Identifizierung einzelner Beamter angebrachten Kennziffern abzulesen. Bleibt nur die Hoffnung, dass sich neben dem Zweifelssatz ein allgemeiner Erfahrungssatz etabliert: Wenn Bürger über von Polizisten begangene ungerechtfertigte Gewalttaten berichten, könnte es sich um die Wahrheit handeln.