OVG Greifswald glaubt nicht an namenlose Wohltäter
„Hat mir jemand etwas ins Getränk gemixt?“ Wer weiß? Soll ja schon vorgekommen sein. Oder die Gläser sind vertauscht worden.
Irgendeine Erklärung muss es doch dafür geben, dass in der anlässlich einer Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe Benzoylecgonin, ein Abbauprodukt des Kokain, nachgewiesen wurde. Aber welche?
Und wie sicher und detailliert muss der Betroffene seine Erklärung, er habe womöglich etwas untergeschoben bekommen, darlegen? Oder schützt ihn schon die nicht zu widerlegende Behauptung, die Droge sei ihm ohne sein Wissen von Dritten verabreicht worden, vor der Entziehung seiner Fahrerlaubnis?
Fragen, die dem auf das Fahrerlaubnisrecht spezialisierten Verkehrsstrafrechtler tagtäglich begegnen. Und die von enormer Bedeutung sind. Denn im Regelfall rechtfertigt schon die einmalige – aber eben bewusste – Einnahme von so genannten „harten Drogen“ die Annahme, dass ein Fahrerlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.
So ist es den § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) in Verbindung mit Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13, 14 FeV zu entnehmen. Dabei kommt es unter fahrerlaubnisrechtlichen Aspekten nicht einmal darauf an, dass eine Wirk- oder Abbaustoffkonzentration gefunden wurde, die die für § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG) geltenden Grenzwerte erreicht.
Wer also positiv auf Kokain getestet wurde, muss mit einem Entzug seiner Fahrerlaubnis rechnen, solange die Fahrerlaubnisbehörde davon ausgehen kann, dass die Einnahme nicht ohne das Wissen des Fahrerlaubnisinhabers erfolgte.
Doch wie kann sich der in Verdachtgeratene wirksam entlasten? Wie beweist man eine Negativ-Tatsache; insbesondere die, nicht zu wissen, wie sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald hat die von ihm dazu entwickelten Grundsätze anlässlich einer jüngst ergangenen Entscheidung zusammengefasst:
1. Die pauschale Behauptung einer nicht bewussten Einnahme reicht nicht.
2. Stattdessen muss eine nachvollziehbare Schilderung abgegeben werden, wie es zu einem unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Konsum gekommen sein soll.
3. Die Plausibilität einer solchen Schilderung soll insbesondere daran zu überprüfen sein, wie sie sich zu jenen gewichtigen Umständen verhält, die grundsätzlich gegen die Annahme einer zufälligen Einnahme sprechen.
Solche gewichtigen Umstände liegen insbesondere im hohen finanziellen Aufwand, den derjenige betreibe, der beispielsweise Kokain in einem Getränk auflöse, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Es sei zu erwarten, dass derjenige, der so verfährt, bemüht sein wird, seinen eigenen Konsum sicherzustellen und andere von einem ungewollten Konsum auszuschließen.
Außerdem müsse er im Falle der Entdeckung seines Tuns mit ihm unliebsamen Reaktionen rechnen. Immerhin ist ja schon der Besitz von Kokain strafbar. Auch deshalb sei damit zu rechnen, dass Vorkehrungen getroffen werden, den zufälligen Konsum eines Anderen zu verhindern.
Die Erklärung hingegen, die Droge sei von ihrem Besitzer bewusst untergemischt und beigebracht worden, müsse an Hand der Frage geprüft werden, welches konkrete Interesse besagte Person daran gehabt haben könnte.